Filmportrait und Wettbewerbsplakat: Betriebsgebäude und Auslassbauwerk für ein Hochwasserrückhaltebecken, Dortmund-Mengede
Die Verwendung der Dokumentationsmaterialien darf nur im Zusammenhang mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Westfälischen Preises für Baukultur erfolgen.
Erläuterung der Arbeitsgemeinschaft B.A.S. Kopperschmidt+Moczala GmbH und Spiekermann GmbH Consulting Engineers
Mit dem Umbau der Emscher wird im Hochwasserrückhaltebecken Dortmund-Mengede ein neuer, einmaliger Landschaftsraum entstehen. Das Projekt stellt sich die Aufgabe, die Funktion des Wasserbauwerks und die Präsenz des Wassers im Hochwasserfall auch im „Normalzustand“ durch die Baustruktur und Landschaftsgestaltung sichtbar zu machen. Dabei vereint es die Anforderungen des Naturschutzes mit dem Bedürfnis, die neue Landschaft und Baustruktur zu erleben und zu verstehen.
Das vom Bauvolumen an sich kleine Betriebsgebäude wird in der Weite der offenen Landschaft zur weithin sichtbaren Landmarke. Über die betriebstechnischen Belange hinaus wird es zu einem Zeichen des Neuen Emschertals und zu einem Anlauf- und Informationspunkt für die Besucher. Es bildet einen Brückenkopf und markiert einen Kreuzungspunkt verschiedener Wegachsen. Die vorgelagerte Terrasse bildet einen Aufenthaltsort in der Weite des Raums und empfängt die Besucher. Das Gebäude erstreckt sich über 3 Etagen. Im EG befindet sich ein Info-Raum, der sich zur Terrassenfläche in Richtung Auslassbauwerk orientiert und ein weites Nutzungsspektrum von einer Ausstellungsfläche über eine Besprechungsnutzung bis zum Ausschank von Getränken bietet. Im 1. OG sind neben einem Lagerraum WCs für das Betriebspersonal sowie für die Besucher vorgesehen. Im 2. OG liegt der Betriebsraum des Auslassbauwerks. Hier sind die Steuerungsanlagen der Schütztafeln untergebracht. Zudem sind ein Besprechungsbereich und ein Kontrollplatz mit Blick auf das Auslassbauwerk vorgesehen. Auf dem Dach findet sich eine Aussichtsterrasse, die - soweit das Gebäude geöffnet ist - über eine offene, im Außenraum liegende Stahltreppe an der Stirnseite des Gebäudes öffentlich zugänglich ist. Eine 2,80 m hohe Wand verhindert den Einstieg auf der Gebäudestirnseite in das Treppenhaus.
Einfache und robuste Materialien unterstreichen den Charakter des technischen Gebäudes, das durch seine Form zu einer zeichenhaften Skulptur wird. In der Tradition der für das Ruhrgebiet typischen Industriearchitektur ist das Gebäude mit einer Ziegelfassade konzipiert. Die tragende Innenschale der Außenwand besteht aus Beton. Fensterelemente, Brüstungsabdeckungen sowie das offene Treppenhaus bestehen aus eisenglimmerbeschichtetem Stahl und korrespondieren mit der Stahlkonstruktion der Schütze des Auslassbauwerks. Alle Fenster sind durch perforierte Stahlblech-Fensterläden geschützt. Die Läden sind als Klappschiebeläden ausgebildet. Die Terrasse erhält in Verlängerung der Brücke einen Holzbohlenbelag, Außentreppen und –stufen bestehen aus Sichtbeton. In der nördlichen Fassade finden sich in unregelmäßigen Abständen Öffnungen in der Ziegelwand, hinter denen sich Nistkästen für Fledermäuse befinden.
Begründung der Jury vom 19. Juni 2015
Im Zuge des Umbaus der Emscher von einem offenen Abwasserkanal zu einer naturnahen Flusslandschaft ist in Dortmund Mengede ein Hochwasserrückhaltebecken
entstanden. Bei dem prämierten Projekt handelt es sich um das dazu gehörige Auslassbauwerk und ein Betriebsgebäude. Das Projekt stellt sich zum einen den technischen Herausforderungen des modernen Hochwasserschutzes und erfüllt darüber hinaus infrastrukturelle Aufgaben für das neu entstehende Naherholungsgebiet entlang der Emscher. Es dient in diesem Zusammenhang als Orientierungspunkt, Informationszentrum und Aussichtsplattform.
Das Auslassbauwerk erstreckt sich in Form einer Fußgängerbrücke über die Einmündung der Emscher in das Rückhaltebecken und schafft auf diese Weise eine wichtige Verbindung im Wegenetz entlang der Emscher. Dieser Knotenpunkt wird durch das turmartige Betriebsgebäude markiert, das der weiten Landschaft einen wohltuenden architektonischen Akzent entgegensetzt. Im EG des Gebäudes befindet sich ein Inforaum, der sich zu einer Terrassenfläche öffnen lässt. Im 1. OG sind WCs und ein Lagerraum untergebracht. Im 2. OG befindet sich der Betriebsraum des Auslassbauwerks. Auf der darüber liegenden Dachterrasse kann der Ausblick über die Landschaft genossen werden.
Zum einen überzeugt das Projekt durch seine architektonische Gestaltqualität und Funktionalität. Die äußere Erscheinung ist von einfachen und robusten Materialien geprägt, die an die historische Industriearchitektur des Ruhrgebiets erinnern: Die Fassade des Turmbaus besteht aus Ziegelmauerwerk, die tragende Innenschale aus Beton, die Fensterelemente, Brüstungen und die Treppenkonstruktion aus beschichtetem Stahl. Auch die sorgfältig gestalteten Details und Materialfügungen verweisen auf die ortstypische Industriearchitektur.
Zum anderen überzeugt das Projekt durch seinen klugen Umgang mit der noch jungen Landschaft des neuen Emschertals. Anstelle sich auf den sichtbaren Kontext zu beziehen, - der erst in einigen Jahren sein endgültiges Aussehen haben wird -, bezieht sich das Projekt auf den unsichtbaren Kontext: Auf das Hochwasser, dass nur in seltenen Fällen das Rückhaltebecken in einen See verwandeln wird und dem Projekt für kurze Zeit seinen eigentlichen Sinn verleiht. Durch die organische Gestaltung des Auslassbauwerks und durch die Aussichtsplattform ist die Abwesenheit des Wassers jederzeit sichtbar und wird zu einem ästhetischen Erlebnis.
Nicht zuletzt überzeugt das Projekt durch die gekonnte Verbindung moderner Technik und historischer Bezüge. Damit zeigt das Projekt auf beispielhafte Weise, wie regionale Baukultur fortgeschrieben werden kann. Außerdem verdeutlicht das Projekt, dass Baukultur nicht nur nach der Gestaltung einzelner Bauwerke fragt, sondern danach, wie die Gesamtheit räumlicher, historischer und anderer Bezüge Beachtung finden und in einem Bauwerk architektonische Gestalt erhalten. Damit erfüllt das Ensemble alle Bedingungen der Auslobung optimal, weshalb die Jury dieser Arbeit einstimmig den Westfälischen Preises für Baukultur verleiht.