Verleihung des Westfälischen Preises für Baukultur
Rede des LWL-Direktors Dr. Wolfgang Kirsch
(Es gilt das gesprochene Wort.)
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit rund 17.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region Westfalen-Lippe. Er betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser und 18 Museen und ist außerdem einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung.
Mehr über die Arbeit und Aufgaben des LWL erfahren Sie hier:
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Rede des LWL-Direktors Dr. Wolfgang Kirsch
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Sehr verehrte Damen und Herren,
ich möchte Sie ganz herzlich zur Verleihung des Westfälischen Preises für Baukultur 2010 hier in unserem gerade neugestalteten Plenarsaal begrüßen.
Neben dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (Westfälischer Literaturpreis, seit 1953), dem Konrad-von-Soest-Preis (Westfälischer Kunstpreis, seit 1954) und dem Hans-Werner-Henze-Preis (Westfälischer Musikpreis, seit 1959), die der LWL in den 1950er Jahren ins Leben gerufen hat, und neben dem seit 1979 vergebenen Karl-Zuhorn-Preis (Förderpreis für Forschung zur Geschichte und Landeskunde Westfalens) gibt es nun einen weiteren wichtigen Kulturpreis in Westfalen-Lippe. Diesen Preis verleiht der LWL heute - und zwar gemeinsam mit Stiftung und Verein Westfalen-Initiative.
Das überwältigende Echo, das der Preis in seinem Debut-Jahr mit 94 eingereichten Projekten erfahren hat, spiegelt das große öffentliche Interesse am Thema Baukultur eindrücklich wider.
Es freut mich sehr, dass ich mit Ihnen in diesem Saal die Verleihung dieses neu geschaffenen Preises feierlich begehen darf.
Ganz besonders bedanken möchte ich mich zunächst und vor allem bei allen Einreichern, die mit ihren Beiträgen der Jury eine breitgefächerte Palette herausragender Baukulturprojekte aus Westfalen-Lippe präsentiert und sie so vor eine schwierige Auswahlarbeit gestellt haben. Diese Arbeit hat sich - wie ich finde - im Ergebnis sehr gelohnt.
Mein ausdrücklicher Dank gilt der Jury, die unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Michael Braum, dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur, sehr konstruktiv, harmonisch und zielgerichtet arbeiten konnte.
Auch möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die durch ihr Engagement und ihre Zustimmung, die Finanzierung und Durchführung dieses Preises möglich gemacht haben.
Sehr verehrte Damen und Herren,
Man baut nur einmal - sagt man zumindest in Westfalen - und möchte bei seinem Haus die so lang gehegten persönlichen Wünsche verwirklichen. Also eine sehr private Angelegenheit - oder doch nicht?
Nein: Bauen ist keine Privatsache!
Bauen findet nicht im stillen Kämmerlein statt, Bauen ist niemals nur Ausfluss der Ideen einer Einzelperson, sondern immer Ergebnis und Spiegel eines gesellschaftlich gefundenen und errungenen Konsenses. Das Bauen selbst und auch der Prozess des Planens und Bauens betreffen nie nur den Einzelnen, sondern immer eine größere, bisweilen sogar die gesamte Gesellschaft.
Bauen ist eine höchst öffentliche Angelegenheit und immer eine Gemeinschaftsleistung aller beteiligten Akteure!
Bauen als Spiegelbild der Gesellschaft, als Abbild und Indikator einer Kommunikations-, Prozess- und Gestaltungskultur geht alle an und erfordert einen breiten öffentlichen Diskurs.
Mit der Verleihung des Westfälischen Preises für Baukultur wollen wir in diesem Sinne Projekte auszeichnen, die einen gelungenen und in die Zukunft weisenden Baukulturbeitrag zum gesellschaftlichen Wandel in Westfalen-Lippe leisten.
Dabei kann es nicht darum gehen, mit dem Preis ein jederzeit reproduzierbares "Westfälisches Strickmuster" für Städtebau, Akteursbeteiligung oder architektonische Gestaltung auszuzeichnen; jedes Projekt hat immer wieder seine individuellen Besonderheiten. Mir geht es heute vielmehr darum, das gute Beispiel anzuerkennen, zu feiern und öffentlich zu kommunizieren.
Wir möchten einen breiten Dialog über richtige oder falsche, über sinnvolle oder fragwürdige, über schöne oder hässliche, über lebenswerte oder zerstörerische Bauprojekte anregen. Wir müssen viel häufiger in aller Öffentlichkeit über das Planen und Bauen in Westfalen reden. Das ist für mich Baukultur!
Dieser Preis ist bewusst kein Architekturpreis (hier gibt es gut eingeführte Preise beispielsweise des BDA), sondern ein Preis für Baukultur.
Es geht nicht um Baukunst, Schönheit, Design und kreative Architektur-konzepte allein, es geht nicht um spektakuläre Großskulpturen und hochglänzende Leuchtturmprojekte. Es geht auch nicht um das Schönreden der immer banaler und gesichtsloser gestrickten täglichen Bauaufgaben.
Es geht vielmehr um alltagstaugliche und nachhaltig ausgerichtete Projekte, die vorbildliche und angemessene Antworten auf die heute anstehenden Bauaufgaben im stadträumlich, bauhistorisch, sozial und ökologisch vorgegebenen Kontext liefern.
Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig in der Pflege und dem Umbau im Bestand. Das spiegelt sich auch in den eingereichten Wettbewerbsbeiträgen wider. Bei gut Zweidrittel der Arbeiten handelt es sich um Umbauten bestehender Gebäude bzw. um Neueinfügungen in gewachsenen Bestand.
Die heutige Verleihung des Westfälischen Preises für Baukultur markiert gewissermaßen den Höhepunkt einer seit etwa zehn Jahren systematisch ausgebauten Qualitätsoffensive des LWL für Baukultur mit einer konsequent ausgerichteten Öffentlichkeitsarbeit.
Neben den eigenen Bautätigkeiten des LWL (genannt seien etwa das Kloster Dalheim, das im Bau befindliche Landesmuseum am Domplatz oder auch der Umbau dieses Plenarsaales) und neben den langjährigen Aktivitäten des LWL-Amtes für Denkmalpflege in Westfalen, führt das LWL-Amt für Landschafts- und Baukultur in Westfalen, aufbauend auf die bereits in den 1990er Jahren durchgeführten Baupflegetagungen, seit 2003 regelmäßig und an wechselnden Orten in Westfalen-Lippe ganztägige Baukulturtagungen, Busexkursionen sowie Stadtspaziergänge durch. Diese werden neben einem breiten Fachpublikum auch immer wieder von baukulturinteressierten Bürgern wahrgenommen. Durch verschiedene Baukulturausstellungen, mit der Einrichtung eines Baukulturinternetportals sowie mit der erstmalig in 2008 ausgetragenen alljährlichen Werkvortragsreihe "Architektur im Kontext" hat sich der LWL schließlich einem breiten Publikum geöffnet.
Ein weiterer Meilenstein in dem Bemühen einer möglichst weitgehenden Einbindung maßgeblicher Baukulturakteure war das gemeinsam mit Stiftung und Verein Westfalen-Initiative, sowie mit einer Interessensgemeinschaft freier Planer im Jahre 2005 gegründete "Bündnis für regionale Baukultur" - gewissermaßen als ein auf den ländlichen Raum zugeschnittenes Pendant zu den eher großstädtisch ausgerichteten Baukultur-Landesinitiativen. Diesem Bündnis gehören inzwischen neben den Gründungsmitgliedern 5 Kreise, sowie 10 Kommunen an.
Die Schaffung eines Westfälischen Preises für Baukultur ist u. a. Ausfluss der erfolgreichen Arbeit dieses Bündnisses.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Zeiten knapper werdender Mittel stellt sich die Frage nach der Legitimation der Schaffung eines neuen Baukultur-Preises. Ich will sie gerne beantworten:
Baukultur ist kein Luxusthema!
Im Gegenteil: Angesichts der vor uns liegenden Herausforderungen ist es auch für Westfalen-Lippe eine zentrale Frage, wie das baukulturelle Erbe gesichert, gepflegt und vor allem den sich rapide ändernden gesellschaftlichen Bedingungen angepasst werden kann. Dazu ein paar Argumente:
Wir stehen heute vor tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen und damit auch vor einem weitreichenden Wandel der wirtschaftlichen, technischen und sozialen Organisationsformen. Sie bewirken veränderte Siedlungs- und Landnutzungsstrukturen.
Demografischer Wandel, soziale Entmischung und sich rapide entleerende Städte und Regionen zwingen uns zu einer Anpassung der städtebaulichen Strukturen und der kommunalen Angebote. Die Stadt Altena im Märkischen Kreis beispielsweise hat seit 1970 einen Bevölkerungsrückgang von 32.000 EW auf heute 19.000 Ew zu verkraften, das sind mehr als 40%! Die teuer unterhaltenen technischen und sozialen Infrastrukturen - und damit viele Gebäude des letzten Jahrhunderts - sind z. T. marode, falsch dimensioniert oder entsprechen nicht mehr den heutigen quantitativen und qualitativen Anforderungen. 35 der 94 eingereichten Wettbewerbsbeiträge haben den Neubau, den Umbau oder die Erneuerung öffentlicher Einrichtungen zum Thema. Das spricht eine klare Sprache!
Veränderte ökologische und energetische Standards, immer weiter ausdifferenzierte Produktionsformen, Wohnwünsche und Lebensstile machen den Umbau unserer Städte und Dörfer erforderlich.
Europaweit veränderte Finanzmärkte, sinkende Steuereinnahmen und kommunale Finanznot zwingen uns zu einem radikalen Umdenken. Auch für die großen Baugesellschaften und institutionellen Bauträger wird der finanzielle Spielraum beispielsweise für eine denkmalgerechte Erneuerung ihres baulichen Bestandes immer enger. Die für Westfalen typischen Ziegelfassaden erhaltenswerter und kulturlandschaftprägender Gebäude verschwinden z. T. aus Kostengründen hinter verputzten Thermohäuten.
Quantitatives Wachstum wird zukünftig auf einzelne Städte und Regionen begrenzt bleiben. Im Moment geht es vielmehr um die dauerhafte Sicherung und Konsolidierung des Erreichten, um die Erhaltung und vorsichtige Erneuerung der Westfälischen Städte und Dörfer. Es geht darum, eine baukulturelle Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Kurzfristige Sparzwänge, Energieeinsparübereifer und Ignoranz gegenüber unserem baukulturellen Erbe dürfen nicht zu einem Gesichtsverlust der uns lieb gewonnenen Westfälischen Hauslandschaften und Kulturlandschaftsbilder führen.
All das hat mit Planungs- und Bau-, Umbau- und Rückbauprozessen zu tun. Bei diesem Umbau unserer Region müssen z. T. völlig neue und unerprobte Wege beschritten werden. Unter dem ständig wachsenden Finanzdruck müssen Lösungen gefunden werden, die der sozialen und ökologischen Verantwortung und unserem baukulturellen Erbe gerecht werden.
Ob dieser Konsolidierungsprozess gelingt und wie wir ihn gestalten hat für mich etwas mit Dialogfähigkeit, Kreativität und historischer Kontinuität - kurz also mit Baukultur - zu tun.
In Zeiten eines wachsenden Spannungsfeldes zwischen Globalisierungs- und weltweiten Vereinheitlichungstendenzen einerseits und dem immer deutlicher artikulierten Bedürfnis nach lokaler Verortung, nach regionaler Identität andererseits kommt der Pflege und Fortentwicklung des baukulturellen Erbes für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe eine zentrale Bedeutung zu. Der sehr bewusste und behutsame Umgang mit identitätsstiftenden Orten und die Erhaltung historischer Bauten, die Pflege unserer gewachsenen Kultur- und Hauslandschaften, ist im Bemühen um die Sicherung und Fortentwicklung eines eigenständigen regionalen Profils, einer westfälisch-lippischen Identität, unverzichtbar.
Die von der Jury ausgewählten Arbeiten - und soviel möchte ich schon hier verraten: es sind drei - leisten genau dazu einen beispielhaften Beitrag.
Lassen Sie mich zum Schluss aus der Festrede des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau anlässlich des ersten Konvents der Baukultur im April 2003 in Bonn zitieren, das ich in dem unlängst erschienenen Standardwerk von Werner Durth und Paul Sigel "BAUKULTUR- Spiegel gesellschaftlichen Wandels" gefunden habe:
"Wie gebaut wird, das hat etwas mit der Lebensqualität von Menschen zu tun. Das hat zu tun mit sich Wohlfühlen und sich Zuhausefühlen. Häuser und Fabrikgebäude, Rathäuser und Museumsgebäude sind genauso Teil des kulturellen Erbes eines Landes wie Malerei, Literatur und Musik. Wer als Architekt und als Baumeister sein Handwerk professionell versteht, der steht immer auch in einer gesellschaftlichen Verantwortung. Diese Verantwortung gilt auch jenseits von Angebot und Nachfrage für das Feld des Sozialen und der Ökologie."
Genießen Sie in diesem Sinne den Gedankenaustausch des heutigen Abends, lassen Sie sich von den in der Bürgerhalle ausgestellten Wettbewerbsbeiträgen inspirieren und helfen Sie mit (und hier möchte ich ganz besonders die Bürgermeister und politisch Verantwortlichen ansprechen), den hier geführten Dialog über Baukultur in die Fläche Westfalen-Lippes auszutragen.
Herzlichen Dank, sehr verehrte Damen und Herren!
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